Eupen.- Im Alten Schlachthof ist das Kreativfieber ausgebrochen: Es wird gebastelt, gemalt, geschrieben und das Wunder der Natur erkundet. Zum allerersten Mal organisiert Chudoscnik Sunergia in diesem Jahr eine Frühlingswerkstatt.
Noah krempelt die Ärmel hoch und greift beherzt in den Haufen Erde vor ihm. „Die Erde schön auflockern“, weist Silke Göbbels den Achtjährigen und die anderen Kinder an, die sich in der ehemaligen Scheune hinter dem Alten Schlachthof um einen Tisch herum geschart haben. Aus guter Komposterde, Lehmpulver und Blumensaat sollen Samenbomben fürs Beet oder den Garten entstehen. Silke Göbbels, Floristin, formt eine Mulde in ein Häufchen Erde und füllt sie mit einer Handvoll Blumensamen und fünf Esslöffel Lehmpulver auf, damit die Kugeln später beim Formen nicht zerfallen. Hinzu kommt etwas Wasser nach Gefühl. Der achtjährige Florian macht sich daran, alles gut zu vermengen und durchzukneten. Er ist begeistert: „Das ist eine richtig schöne Matschepampe.“ Die feuchte Erde lässt sich prima zu einer Kugel formen. „Tolle Lehmboulette“, kichert Noah. Der Junge kann es kaum erwarten, zu beobachten, wie die Natur aus winzigen Samenkörnern prächtige Löwenmäulchen, Sonnen- und Ringelblumen entstehen lässt. „Jetzt müssen die Samenbomben aber erst mal gut durchtrocknen“, sagt Silke Göbbels. „Anschließend können sie in den Garten. Den Rest erledigt die Natur.“ Es freut die 40-Jährige, mit welcher Faszination und Neugierde die Kinder bei der Sache sind. „Sie wollen beobachten und erleben, wie die Natur funktioniert und selbst ausprobieren.“
Miriam Elebe, Projektautorin der Frühlingswerkstatt, steckt den Kopf durch die Türe. Sie möchte sich davon überzeugen, dass es allen gut geht und alle haben, was sie benötigen. Es ist in diesem Jahr das erste Mal, dass Chudoscnik Sunergia eine Frühlingswerkstatt organisiert. Die Ateliers waren in Windeseile ausgebucht. Auch für die Sommerausgabe sind nur noch wenige Plätze frei. Elebe ist heilfroh, dass die Frühlingswerkstatt in der aktuellen Situation überhaupt stattfinden kann, wenngleich ein enormer organisatorischer Aufwand damit einhergeht. „Es gibt sechs Ateliers mit je zehn Kindern“, erklärt die 39-Jährige. „Die Gruppen dürfen sich nicht mischen, das heißt, dass die Kinder diesmal nicht zwischen den verschiedenen Ateliers hin und her wechseln können.“
Jede Gruppe habe ihre eigene Toilette, ihren eigenen, separaten Eingang und ihren abgetrennten Spielbereich während der Pausen. Alles, was draußen stattfinden kann, wird ins Freie verlegt.
Jakob und seine Freunde gehen heute lieber nicht raus. Der Neunjährige beißt genüsslich in sein Butterbrot – kreativ sein macht hungrig. Aus Schuhkartons und buntem Krepppapier hat die Gruppe Pinatas gebastelt, die nun noch mit Süßigkeiten zu füllen sind. „Wenn man sie zerschlägt, fällt alles raus“, erklärt er. Darauf freut sich der Junge besonders. Allerdings: Bevor es soweit ist, steht Malen auf dem Programm. Die Kinder sollen ihren eigenen Comic gestalten, aber die zündende Idee fehlt Jakob noch. Da ist Eliah ihm – ein paar Räume weiter – bereits einen Schritt voraus. Der Zehnjährige bastelt ein Buch, das die Geschichte von Urlch dem Alien erzählt. Er hat sie sich ganz alleine ausgedacht, nun muss er sie nur noch illustrieren und das Cover aus dickem Karton gestalten.
Auch im Atelier von Sophie Crutzen wird gebastelt – oder besser gesagt recycelt. „Wir werfen vieles weg, woraus man tolle Dinge basteln kann“, weiß die 42-Jährige, die den Kindern zeigt, wie man Vasen aus leeren Milchtüten fertigt und bunte Plastikstopfen zu Postkartenhaltern auftürmt. Aus alten Zeitschriften und Bilderbüchern haben die Kinder Formen ausgestanzt und mit der Nähmaschine alles zu einer Girlande vernäht. „Wir waren schon sehr fleißig“, bestätigt die sechsjährige Leni. Gerade basteln die Kinder aus Korken, Wolle und Stoffresten kleine Boote. Die siebenjährige Alexandra hat ihres zusätzlich mit Pailletten verziert. Insgeheim hofft sie auf Regen, „damit wir ausprobieren können, ob die Bötchen auch wirklich schwimmen“.
In allen Ateliers sollen sich die Kinder während vier Tagen in ihrer Kreativität frei entfalten. Der zehnjährigen Anne gelingt das gerade nicht so gut. Mit kritischem Blick schaut sie auf die Leinwand vor sich. „Ich habe keine Idee mehr“, stöhnt die Zehnjährige. „Ein bisschen frische Luft, dann geht das schon wieder“, motiviert Tanja Wilden sie. Die Fotografin leitet die Kinder an, wie man aus einer Leinwand, alten Zeitschriften, Wolle, Blättern und Zweigen „ganz bekloppte Collagen“ erstellt. „Die Kinder sollen nicht zu viel darüber nachdenken, was sie machen, sondern aus dem Bauch heraus kreativ sein – ohne irgendwelche Vorgaben“, erklärt sie. Die zehnjährige Signe ist derweil ziemlich zufrieden mit ihrem vollendeten Kunstwerk. Sie hat eine dicke Schicht Kleber auf die Leinwand aufgetragen, auch wenn die vermutlich ewig brauchen wird, ehe sie ausgehärtet ist. „Der Effekt gefällt mir“, sagt sie. Auch Miriam Elebe ist glücklich, wenn auch etwas geschafft: „Endlich ist wieder Leben im Schlachthof“, freut sie sich. „Wir haben das gebraucht. Und die Kinder auch“, ist sie überzeugt. (Quelle: GE)