Öffentliche Pfarrbibliotheken St. Nikolaus und St. Josef
Eupen. – Immanuel Kant (1724-1804), der weltberühmte Philosoph, definierte den Begriff „Aufklärung“ als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Diese Definition hat Professor Jörg Noller von der Universität Konstanz zu hochinteressanten Fragestellungen veranlasst: Inwiefern ist Kants Begriff der Aufklärung für die gegenwärtigen Entwicklungen und Probleme der Digitalisierung noch relevant? Und: inwiefern unterliegen wir einer „digitalen Unmündigkeit“ und bedürfen demnach „einer digitalen Aufklärung“? Immer mehr wird das Internet als Ersatz für unser eigenes Denken gebraucht, etwa dann wenn wir glauben, nur Suchanfragen eingeben zu brauchen und uns die scheinbar objektiven Antworten darauf, automatisch vorgegeben werden. Künstliche Intelligenz automatisiert und ersetzt immer mehr unsere Urteilskraft und Algorithmen ähneln jenen von Kant kritisierten „Satzungen und Formeln“, die im schlimmsten Fall zu „Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit werden.“ Wir werden dadurch digital unmündig, dass wir abhängig von den Strukturen, Gesetzen und Inhalten werden, die die neuen Medien uns anbieten, und wir werden zugleich abhängig von der Technik, die nicht selten rein ökonomisch orientiert ist, und der wir in unserer passiven Haltung ausgeliefert sind. So wie nach Kant Aufklärung im öffentlichen Gebrauch der Vernunft bestehen muss, so muss eine digitale Aufklärung im digital- öffentlichen Gebrauch unserer Vernunft bestehen. Wir sollten die Digitalisierung denn auch nicht als uns beherrschende Technik und „mechanisches Werkzeug“, sondern als „Ermöglichkeitsgrund“ von Freiheit im Sinne eines öffentlichen, vernetzten Gebrauchs unserer Vernunft verstehen. Digitale Mündigkeit ist demnach etwas anders als bloß technokratische „Medienkompetenz“. Sie bedeutet vielmehr, dass wir den öffentlich-digitalen Raum nicht nur als Konsum- und Informationsraum sondern als „Handlungsraum“ begreifen und damit unsere Autonomie vergrößern.